Das Vier-Sterne-Opera-Hotel führt eine der digitalsten und innovativsten Lobby in Zürich. Direktor Michael Böhler stellt im Interview die Flying Reception vor, und erklärt, wie die Digitalisierung zur Gastfreundschaft beiträgt.
Interview: Sereina Gujan, Fotos: Ambassador & Opera AG, das Interview wurde Anfang 2020 geführt.
Michael Böhler: Gastfreundschaft funktioniert nur, wenn unsere Mitarbeitenden glücklich sind. Eine hohe Zufriedenheit schaffen wir mit modernen Arbeitsbedingungen.
Unseren Mitarbeitenden fällt es dank technischer Hilfsmittel einfacher, unsere Gäste wiederzuerkennen. Sie können auf einem Tool einsehen, ob ein Gast schon einmal hier war und welche Wünsche hinterlegt sind. Gerade in der Stadt haben wir eine starke Gäste-Fluktuation, viele bleiben nur eine Nacht bei uns. Es ist nicht mit einem Ferienhotel zu vergleichen, welches dieselben Feriengäste eine Woche lang beherbergt. Mit der Wiedererkennung bieten wir einen persönlichen Service.
Ich frage mich, was wir nicht digitalisiert haben. Nein, im Ernst: Wir haben bei der Guest Journey die Kontaktpunkte zwischen Gast und Mitarbeiter genauer angeschaut. Bei jedem Kontaktpunkt haben wir uns überlegt, wie wir diesen Prozess vereinfachen können. Je mehr ich die Angestellten entlaste, desto mehr Zeit bleibt ihnen für die Gäste. Wir haben beispielsweise im Mai 2019 unsere Rezeption digitalisiert. Die klassische Rezeption haben wir ersetzt durch eine offene Lobby mit einer Coffee Bar und vielen Sitzgelegenheiten. Unsere Gäste können auf ihrem Handy oder Computer bereits vor ihrer Ankunft einchecken und erhalten gleich bei der Ankunft den Schlüssel.
Sehr gut! Sie kommen nach einer langen Reise bei uns an und können sich in unserer Lobby erstmal in Ruhe hinsetzen. In der Lobby warten wir nicht mehr reaktiv auf unsere Gäste hinter der Theke, sondern gehen proaktiv auf sie zu. Die Gäste erholen sich von der Reise und werden gleichzeitig durch uns beraten. Unsere Mitarbeitenden arbeiten mit den Tablets überall. Der Gast bestimmt wo: Bei einem Kaffee, an der Bar oder auch im Zimmer. Die Technologie ermöglicht mehr Flexibilität.
Wir sprechen nicht von «keiner Rezeption», sondern von einer «Flying Reception». Viele Leute haben das Gefühl, keine standortgebundene Rezeption zu haben bedeute nur noch Computer, Tablets und Terminals. Das stimmt so nicht. Durch die Digitalisierung vereinfachen wir Prozesse und administrative Abläufe. So bleibt uns viel mehr Zeit für unsere Gäste. Wir verfolgten auch nie den Gedanken, dadurch Arbeitsplätze abzubauen. Durch eine effiziente Abwicklung konnten wir die Belegung von 65 auf 85 Prozent steigern und dies mit den gleichen Ressourcen bewältigen.
Das spielt keine Rolle. Obschon wir ein digitalisiertes Hotel sind, ist die Technologie nur ein Hilfsmittel. Die Digitalisierung darf nicht im Vordergrund stehen und die Gäste überfordern. Unsere Gäste haben bei uns die Wahl zwischen Digital oder Analog: sich selber bedienen oder sich bedienen lassen. Sie haben die Möglichkeit, auch vor Ort klassisch bei unseren Mitarbeitenden einzuchecken. Aber auch hier geht es dank der Technologie schnell: Die ID und Kreditkarte werden rasch mit dem Tablet eingescannt und der Gast braucht keine Formulare mehr auszufüllen.
Das Gespräch mit den Gästen geht weg von einer Checklisten-Abfrage hin zu einer Beratung. Für den Gast ist es ein schöneres Erlebnis, wenn er ein beratendes Gespräch mit unseren Mitarbeitenden führt. Dank dem Wegfall von administrativen Aufgaben müssen wir mit unseren Gästen nicht mehr über Anmeldescheine sprechen. Nach der Begrüssung weisen wir auf aktuelle Anlässe wie den Zürich Marathon oder das Sechseläuten hin. Ebenfalls haben die Mitarbeitenden aus Eigeninitiative eine Guest-Karte erstellt, mit welcher sie den Gästen Highlights und Empfehlungen näherbringen. Aufgrund der Digitalisierung haben unsere Angestellten nun Zeit, um individuelle Angebote mit persönlicher Note zu erstellen.
Früher waren die Bewertungen breiter im Mittelfeld gestreut. Von den möglichen zehn Punkten vergaben die Gäste für den Aufenthalt zwischen acht und zehn Punkten oder dann sieben, wenn sie nicht ganz zufrieden waren. Heute erhalten wir entweder ausgezeichnete Bewertungen von neun bis zehn Punkten – oder dann gleich eine tiefere zwischen vier und fünf, weil diese Gäste das neue Konzept ablehnen. Dies zeigt uns klar: Wir sind gut positioniert. Auch der beste Gastgeber kann nicht alle Gäste vollkommen zufriedenstellen. Aber für die Gäste, die zu uns passen, erbringen wir die beste Dienstleistung.
Unsere Mitarbeitenden verfügen über einen grossen Handlungsspielraum, um Probleme zu lösen. Priorität hat, dass sie auf Beschwerden reagieren. Ausserdem erheben wir alle Rückmeldungen auf einem Beschwerden-Tool. So vermeiden wir, einzelne Rückmeldungen zu stark zu gewichten. Für die Auswertungen der Beschwerden bleiben vor allem die Tendenzen relevant.
Die Ferienhotellerie hat mehr Zeit, um Fehler auszubügeln. Unsere Gäste verbringen weniger Zeit bei uns. Daher müssen wir von der Ankunft bis zur Abreise konstant überzeugen. Anders als bei einem Ferienhotel interessieren sich bei uns auch nicht alle Gäste für den Kontakt mit dem Gastgeber. Einige wollen nur schnell auf ihr Zimmer. Das ist für sie das Erlebnis, das sie sich wünschen. Unsere Aufgabe ist es herauszufiltern, welche Gäste drei oder vier Tage hier sind. Und diesen Gästen zeigen wir mit unseren Dienstleistungen, dass wir uns über ihren Aufenthalt freuen. Dabei ist der Gästekontakt bedeutend, besonders bei unseren Stammgästen.
Wir haben die Weinkarte auf einem Tablet. Die Gäste schätzen es sehr, dass sie mehr Hintergrundinformationen vom Wein bis hin zum Winzer erhalten. Zudem nimmt unser Team die Bestellungen über ein Tablet auf.
Nein, ein geübter Mitarbeiter nimmt die Bestellung mit einem Tablet gleich auf wie mit dem Block. Für die Gäste macht dies keinen Unterschied. Aber es erhöht die Effizienz, was besonders unsere Operngäste schätzen. Wir haben nämlich gemerkt, dass die Operngäste oftmals in unserem Restaurant nervös wurden, weil sie die anschliessende Vorstellung nicht verpassen wollten. Daher haben wir ein neues Angebot lanciert, die Operngarantie: Innerhalb einer Stunde ist das Menü serviert und die Rechnung liegt eine halbe Stunde vor dem Vorstellungsbeginn auf dem Tisch, sonst offerieren wir das Essen. Seit dieser Lancierung sind die Gäste entspannter und die Stimmung fröhlicher.
Die Branche muss in Sachen Digitalisierung offener und mutiger werden. Neue Tools sind vielfach kostengünstiger, als man denkt. Ein Unternehmen ist nicht mehr zehn Jahre lang an ein teures System gebunden, bis es abgeschrieben ist. Cloud-basierte Lösungen sind effizienter. Man kann sie testen und wieder rasch kündigen. Ich rate den Gastgebern, sich mit den neuen Technologien auseinandersetzen und diese auszutesten. Die Digitalisierung kann schlussendlich einen grossen Mehrwert schaffen.
Das Opera Hotel liegt im idyllischen Seefeld in der Stadt Zürich. Seit 2016 hat der technologieaffine Betrieb auf digitale Lösungen umgerüstet und hebt sich dadurch von der Konkurrenz ab. Durch das Konzept «The Lobby» besteht der Gästemix aus lokalen und internationalen Besuchern. Das Vier-Sterne-Hotel bietet 58 Zimmer für Leisure- und Businessgäste an. Seit März 2017 ist Michael Böhler Direktor des Unternehmens und kümmert sich zusammen mit seinen 66 Mitarbeitenden um das Wohl der Gäste.