Politik ist die Kunst des Möglichen

Café Fédéral vom Mai 2025

Am nächsten Dienstag findet in Lugano die Delegiertenversammlung von GastroSuisse statt. In Vorbereitung darauf habe ich in den letzten Tagen das erste Amtsjahr für mich Revue passieren lassen. Eines vorweggenommen: Aus politischer Sicht verliefen die letzten 12 Monate für das Gastgewerbe sehr erfreulich. Ich beschränke mich auf vier Beispiele:  

  • Das Parlament hat letzte Woche beschlossen, den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen über das Jahr 2027 hinaus beizubehalten. Er hat einen Vorstoss unseres Vorstandsmitglieds und Ständerätin Esther Friedli deutlich angenommen.
  • Liquidationsgewinne bei der Geschäftsaufgabe von Einzelunternehmen führen seit dem 1. Mai auf Bundesebene nicht mehr zur Rückforderung der Härtefallhilfen.
  • Anfangs Jahr empfahl der Bund den Kantonen, die Genehmigungsregeln für Erweiterungen von Aussenterrassen zu vereinfachen.
  • Unsere Wirtschaftsallianz trug mit ihrer Abstimmungskampagne dazu bei, dass die BVG-Reform an der Urne deutlich abgelehnt wurde. 

Selbstkritisch müssen wir uns fragen: Wäre mehr möglich gewesen? Konkret: Weshalb gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz nicht auch für die Gastronomie, wie es in vielen europäischen Ländern der Fall ist? Hätte der Bund die Rückforderungspraxis nicht für alle Rechtsformen gleich regeln können? Warum verzichten Bund und Kantone bei Aussenterrassen nicht vollständig auf ein Baugesuch? Und wieso beschloss das Parlament überhaupt erst eine unnötig teure BVG-Reform, gegen welche wir in den Abstimmungskampf ziehen mussten.  

Ich finde es wichtig, dass wir unser Tun kritisch hinterfragen. Gleichzeitig gilt es zu verinnerlichen:  «Politik ist die Kunst des Möglichen.» Das Bekenntnis zur Realpolitik stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird oft Otto von Bismarck zugeschrieben. Es gehört zu den anspruchsvollen Aufgaben eines Verbandes zu erkennen, welche Anliegen mehrheitsfähig sind und ab welchem Punkt wir im Traumland wandeln. Wer zu hoch pokert, steht am Ende des Tages mit leeren Händen da. Wir werden auch zukünftig versuchen, die Grenzen des Möglichen zu verschieben – mit der nötigen Portion Realismus. Mein Anspruch bleibt bestehen, für das Gastgewerbe Unmögliches möglich zu machen.

 

Beat Imhof, Präsident